Jobsharing in der GEWA
Es ist angenehm kühl in der Logistikabteilung im ersten Stock an der Alpenstrasse 58 in Zollikofen. Die Klimaanlage dient der Lagerung von kühlpflichtigen Medikamenten, die dort verpackt werden. Mittendrin befindet sich das Büro der beiden Teamleiterinnen Bettina Oesch und Barbara Baumgartner, die mich herzlich empfangen. Im Jobsharing begleiten und befähigen die beiden durchschnittlich 20 Personen und verantworten dabei Konfektionierungsarbeiten aller Art.
Was ist euer Haupttätigkeitsfeld in der Logistikabteilung?
Bettina: Hier in der Logistik verrichten wir vor allem serielle Arbeiten. Wir sind zuständig für Abfüllungen und Etikettierungen von beispielsweise ätherischen Ölen und Gewürzen. Wir konfektionieren aber auch Geschenkesets, richten Faltschachteln auf für Operationsmaterial und verpacken Versände. Aufträge erhalten wir von externen Unternehmen. Als Teamleiterin trägt man verschiedene Hüte. Zum einen befähigen und leiten wir die Mitarbeitenden an, zum anderen sind wir auch Ansprechpartner für unsere Kunden.
Ihr arbeitet im Jobsharing, das heisst ihr teilt euch eine Aufgabe. Wie kam es dazu?
Bettina: Ich war bereits mehrere Jahre im 90%-Pensum tätig und wollte nach meinem Mutterschaftsurlaub weiterhin arbeiten. Mein Vorgesetzter war offen für eine flexiblere Gestaltung der Aufgabe, was ich sehr schätze. Da für mich ein 40%-Pensum als Ideallösung in Frage kam, suchten wir eine geeignete Person, die das restliche Pensum ergänzt. In Barbara fanden wir die ideale Besetzung und sie wurde nach dem Vorstellungsgespräch eingestellt.
Barbara: Die Gelegenheit war für mich ein super Zufall. Meine eigenen Kinder sowie die Tageskinder, die ich damals betreute, wurden eingeschult. Ich hatte wieder mehr Kapazität zum Arbeiten, konnte mir aber einen Wiedereinstieg in meine frühere Tätigkeit als Pflegefachperson nicht mehr vorstellen. Ein grosses Anliegen war es mir jedoch, wieder mit Menschen zu arbeiten, was in dieser Stelle in der GEWA abgedeckt war.
Wie organisiert ihr euch untereinander und was sind die Herausforderungen insbesondere im Jobsharing?
Bettina: Wir organisieren uns, indem wir uns gemeinsam absprechen. Wir sind jeweils an zwei Vormittagen zusammen hier. Die gemeinsame Präsenzzeit empfinde ich als wichtig. Bei uns arbeiten Menschen am angepassten Arbeitsplatz, solche, die sich in einer beruflichen Massnahme befinden, aber auch Lernende und Flüchtlinge. Für die unterschiedlichen Bedürfnisse arbeiten wir mit diversen Hilfsmitteln, um den Informationsfluss sicherzustellen. Gerade bei Kundenkorrespondenz nehmen wir uns bei E-Mails jeweils in Kopie. Gibt es bei Aufträgen Änderungen, werden diese notiert. Bei Anliegen von Mitarbeitenden arbeiten wir mit dem Förderprotokoll. Wichtig ist ja, dass wir gegenüber den Mitarbeitenden, sowie auch den Kunden im besten Falle einheitlich auftreten. Und trotzdem sind wir ja auch zwei unterschiedliche Menschen mit eigenen Entscheidungsgrundlagen.
«Die Tätigkeit vermittelt den Mitarbeitenden einen gewissen Wert.»
Eure Aufgabe besteht unter anderem darin, Leute mit besonderen psychischen Herausforderungen zu befähigen und anzuleiten. Wie vereinbart ihr dies mit den Ansprüchen seitens Kunden?
Barbara: Die Herausforderung besteht darin, die Mitarbeitenden nicht zu überfordern und trotzdem Qualität abzuliefern. Insbesondere in der Weihnachtszeit, wo viel los ist, kann es hektisch werden. Unsere Mitarbeitenden arbeiten im zweiten Arbeitsmarkt, gegenüber unseren Auftraggebern versprechen wir jedoch die gewünschte Qualität einzuhalten. Der schöne Aspekt dabei ist, dass es unseren Mitarbeitenden einen gewissen Wert vermittelt. Ihre Tätigkeit bewirkt etwas und sie nehmen am Markt teil.
Bettina: Was das Jobsharing betrifft, spüren wir von unseren Kunden grosses Vertrauen. Sie wissen, wir sprechen uns ab und sind beide gut informiert. Sie merken, dass es funktioniert.

Bettina (links v. Bild) und Barbara arbeiten als Teamleiterinnen im Jobsharing. In der GEWA Logistikabteilung befähigen und leiten sie Menschen mit besonderen Herausforderungen an.
Welche Vorteile seht ihr im Jobsharing?
Bettina: Meiner Meinung nach gibt es ganz viele Vorteile. Dadurch, dass sich zwei Personen die Aufgabe teilen, packt man mehr Fähigkeiten und Wissen in eine Stelle. Es sind zwei Leute, die reflektieren, hinschauen und begleiten. Insbesondere bei Personen in einer Eingliederungsmassnahme trägt man eine grosse Verantwortung. Ich empfinde es als Bereicherung, gerade in dieser Aufgabe auch die Meinung von Barbara zu hören. Durch das Teilen der Aufgabe fühle ich mich in schwierigen Situationen oder Entscheiden weniger allein. Als weiteren Vorteil sehe ich aber auch die Kombination von Arbeiten und der Kinderbetreuung zuhause. Ich erlebe meinen Alltag als abwechslungsreich und bin sehr motiviert.
Barbara: Insbesondere, wenn es um die Anliegen der Mitarbeitenden geht, erlebe ich das Jobsharing als Vorteil. Sie können auswählen, wem sie sich anvertrauen möchten. Je nachdem zu wem sie einen besseren Zugang haben. Das hat auch für Mitarbeitende einen Vorteil.
«Die Offenheit des Betriebes spielt eine grosse Rolle.»
Gibt es auch kritische Aspekte im Jobsharing?
Barbara: Es ist klar, dass man sich mehr absprechen muss, was ein zeitlicher Aufwand bedeutet. Transparenz gegenüber den Mitarbeitenden ist wichtig, wir sollten das Gleiche vertreten. Sind dort Diskrepanzen, könnte das gegen einen verwendet werden. Was dazu kommt ist, dass der Vorgesetzte zwei Personen führen muss.
Bettina: Vertrauen ist unsere Grundlage, was bei uns beiden sehr gut funktioniert. Wir wechseln uns bei den jährlichen Mitarbeitergesprächen jeweils ab, dann sind wir beide im Bild und wissen, was läuft. Das sehe ich als Vorteil.
Findet ihr, jede Aufgabe ist für ein Jobsharing geeignet?
Bettina: Ich glaube, ganz Vieles ist möglich. Grundsätzlich spielt die Offenheit des Betriebes gegenüber der Gestaltung von Aufgaben eine grosse Rolle. Ich schätze mich glücklich einen offenen Vorgesetzten zu haben und finde es wichtig, gewisse Dinge von mehreren Seiten anzuschauen. Generell haben wir in der Schweiz, was das Thema Jobsharing angeht, noch Luft nach oben. Es gibt auch Männer, die in reduzierten Stellen arbeiten möchten.
Barbara: Es gibt sicherlich Branchenunterschiede. Als ich noch in der Pflege gearbeitet habe, war Schichtarbeit, auch in reduziertem Pensum, üblich. Da in dieser Branche ein Fachkräftemangel besteht, ist man froh, um jede und jeden, der arbeitet. Gerade, wenn man eine Familie gründet ist es jedoch immer noch üblich, dass die Frau die Kinder betreut. Bietet man nur Stellen mit hohen Pensen an, geht dort viel Potential verloren.
Seht ihr Potential in der GEWA betreffend Jobsharing?
Bettina: Es ist vieles in Bewegung. In einigen Abteilungen gibt es bereits Jobsharing Stellen. In den Teamleiterstellen der operativen Abteilungen sehe ich aber noch Potential. Es wäre toll, wenn die Vereinbarung zwischen Arbeit und Familie, wobei die Familie gerade in der christlichen Wertehaltungen eine grosse Bedeutung hat, mehr gefördert wird.