Ich bin mir gegenüber verständnisvoller geworden
Eine Ausbildung mit sehr viel Verantwortung, nach Ausbildungsabschluss ungebremst in die Coronakrise und dann folgt ein Jobwechsel auf den anderen: Irgendwann war die Luft raus. Aber wenn sich jemand nicht unterkriegen lässt, dann ist es Jill. Die schwere Zeit hat sie gelehrt, mehr auf sich zu hören.
Schon während ihrer Ausbildung zur Medizinischen Praxisassistentin musste Jill sehr selbständig sein und viel Verantwortung übernehmen. Kurz nach Ausbildungsabschluss startete sie in einer neuen Praxis – und schlitterte ungebremst in die Coronakrise: Arbeiten von früh bis spät und kaum Pausen. Ihr Körper begann sich mit Zuckungen und neurologischen Ausfällen bemerkbar zu machen: Epilepsie. Zwar erhielt Jill nun Medikamente, diese waren aber weder von Anfang an richtig eingestellt, noch nahm die Arbeitslast in der Praxis ab. Für vieles wurde Jill zur Verantwortung gezogen, bis ihr schliesslich gekündigt wurde. Es folgte eine Anmeldung beim RAV und eine Odyssee der Stellensuche – eine enorme psychische Belastung für Jill. «Wo ist eigentlich das Problem?», fragte sie sich. Sie, die doch eigentlich gerne arbeitet.
Mitten in der Abwärtsspirale
Jill brach ein und wurde zu 50%, bald darauf zu 100% krankgeschrieben. Sie wurde vom RAV freigestellt, musste nicht mehr nach Stellen suchen, aber ihr gesundheitlicher Zustand verschlimmerte sich stetig. Jill hatte starke Stimmungsschwankungen, war sehr dünnhäutig. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Burnout, Depression, ADHS und Epilepsie: mögliche Diagnosen, deren Symptome teilweise zutrafen aber nichts davon ganz sicher war. Der Psychologe, bei dem sie seit einigen Monaten bereits in Behandlung war, war am Ende mit seinem Latein und legte Jill einen Klinikaufenthalt ans Herz, damit sie wieder Fuss fassen kann. Das sah sie ein und willigte schliesslich ein, im Juli 2022 stationär in Behandlung zu gehen.
Wieder Boden unter den Füssen
Obwohl Jill nach kurzer Zeit wieder aufzublühen schien, konnte sie durchsetzen, die vereinbarte Zeit in der Klinik zu bleiben. Sie wechselte in die Tagesklinik, wo sie sich schnell wieder voller Energie fühlte. Schliesslich meldete sie ihr Psychologe für ein Aufbautraining in der GEWA an. In den Monaten in der GEWA war Jill schnell unterfordert. Unterstützt von ihrer Job Coach, fand sie schliesslich einen Praktikumsplatz, bei dem sie ihr Fachwissen als Medizinische Praxisassistentin einsetzen kann.
Wertvolle Unterstützung von der Job Coach
Im dreimonatigen Praktikum wurde Jill von Karin Pfister, Job Coach der GEWA begleitet. Diese Unterstützung war sehr wichtig, findet Jill: «Karin war da für konkrete Fragen. Ich konnte immer wieder darüber sprechen, wie es mir geht, was ich brauche oder was ich in meiner Freizeit tun kann, das mir guttut. Das hat mir geholfen, auf mich selbst zu hören, mich nicht hintenanzustellen, aber auch nicht zu hohe Erwartungen an mich selbst zu haben.» Jill sei sehr perfektionistisch und streng mit sich, da habe ihr die Job Coach sehr geholfen: «Karin hat mich daran erinnert, meine Pausen einzuhalten und mir geholfen zu lernen, wie ich zur Ruhe kommen kann.»
Ein Sechser im Lotto
Nach nur einem Monat bot ihr der neue Arbeitgeber eine Festanstellung an: Ein Sechser im Lotto. Jill hat gelernt, Tag für Tag zu nehmen. Sie wurde geduldiger, verständnisvoller und behutsamer, vor allem sich selbst gegenüber.
An ihrem neuen Arbeitsort ist Jill angekommen. Seit dem 1. November 2023 gibt es für sie keine GEWA mehr. Jill arbeitet am Empfang, wird aber in Zukunft vermehrt auch im Kundensupport arbeiten, wo sie ihr Fachwissen als Medizinische Praxisassistentin gezielter einsetzen kann. «Ich glaube: Wenn man etwas will, erreicht man es auch. Man braucht vielleicht nur etwas Geduld. Und, man muss sich Ziele setzen, die realistisch sind.»